Der erste Februar markiert den Beginn eines traditionellen Ereignisses, bei dem sich viele Menschen freiwillig verpflichten, keinen Alkohol zu trinken - mindestens 28 Tage im Jahr (dieses Jahr 29). Nicht nur ein "trockener Februar", sondern ein ganzes "trockenes Jahr" wäre für eine Gruppe von Enthusiasten aus Nejdek kein Problem. Wir meinen allerdings das Vorkriegs-Nejdek, über die aktuelle Situation ist uns nichts bekannt.
In der Sammlung von Stanislav Burachovich stießen wir auf die Legitimation der nichtjüdischen Organisation der "Arbeiter-Abstinenten-Union". Sie wurde 1926 auf den Namen des damals erst sechzehnjährigen Zimmermalers Wilhelm Winterstein ausgestellt (laut Standesamt wurde er am 25. Januar 1910 in Nejdek Nr. 359 in der Familie eines Nejdeker Hüttenarbeiters geboren). Was den jungen Wilhelm zum Eintritt veranlasste, werden wir wohl nie erfahren. Alles, was wir über seine Abstinenz wissen, ist, dass er von Juli 1926 bis Ende 1930 regelmäßig für Mitgliedsmarken bezahlte.
Auf jeden Fall waren Mäßigkeitsvereine verschiedener Art zu dieser Zeit weit verbreitet. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden sie in ganz Europa. Der Grund dafür war der Alkoholismus als ernstes gesundheitliches und soziales Problem. Fälle von Männern, die in betrunkenem Zustand die Familienfinanzen wuschen und häusliche Gewalt ausübten, sind nicht nur in der Belletristik, sondern auch in Statistiken dokumentiert.
Für die Arbeiter- und die sozialdemokratische Bewegung war der Kampf gegen den Alkoholismus außerdem ein Mittel zur Verbesserung der Organisation der Arbeiterschaft. Im Jahr 1905 wurde in Wien der Arbeiter-Abstinentenbund gegründet, der bereits bestehende Vereine mit ähnlicher Ausrichtung in ganz Österreich zusammenführte.
Sie blieb unter den deutschsprachigen Arbeitern in den tschechischen Ländern nach 1918 unter dem Namen Abstinentenverband der Arbeiter in der Tschechoslowakischen Republik aktiv. Sie hatte ihren Sitz in Teplitz-Schanow und eine ihrer Zweigstellen in Nejdek.
So lächerlich einige der Forderungen der Abstinenzbewegung heute auch klingen mögen, es ist gut zu wissen, dass sie mit einem ziemlich grundlegenden Problem zu kämpfen hatte. So wurde zum Beispiel erst 1922 in der Tschechoslowakei ein Gesetz verabschiedet, das es verbot, Alkohol an Kinder und Minderjährige auszuschenken - das Trinken war damals erst ab 16 Jahren erlaubt...
In der Galerie finden Sie ein Muster der Mitgliedskarte des "Arbeiter-Abstinentenbundes in der Tschechoslowakischen Republik", Kaiserbäder, Sammlung Stanislav Burachovich
Aus den Statuten der Workers' Temperance Union:
"Es geht vor allem darum, Bewusstsein zu schaffen:
- persönliche Abstinenz von Mitgliedern, die den Konsum von Alkohol (Bier, Wein, Spirituosen, Obstweinen und Apfelweinen) vollständig ablehnen
- Organisation von alkoholfreien Veranstaltungen, Festivals und Theatervorstellungen und Einrichtung von alkoholfreien Kneipen (...)"